So lautet derzeit häufig die Grußformel, und anders als früher klingt die Frage ernst und motiviert. Doch wie sehr interessiert es wirklich, wie es dem anderen geht? Wie er mit der aktuellen Sitaution umgeht? Ob er glücklich, krank, gutverdienend ist oder schlaflose Nächte hat? Möchte mancheiner nicht vielmehr vom anderen hören, wie es geht, damit wir einschätzen können, wie es uns selber geht? Fühlt sich die andere ängstlich, wütend, eingesperrt, ausgeliefert, so geht es uns gleich besser, denn sooo schlecht haben wirs doch eigentlich nicht. Oder wir stimmen ins Jammerlied ein. Hören wir vom Gegenüber, er sei gut drauf, habe eine komfortable Situation, na das löst dann bei einem selbst häufig ein Opfergefühl, Neid oder Selbstüberschätzung aus.
Es läßt sich durchaus beobachten: Mit „Wie geht es dir?“ ist vielmehr „Sag mir, wie es MIR geht“ gemeint. Ein wirkliches Interesse an den Gedanken der anderen, ihrer Lage, ihrer Emotionen v.a. in der aktuellen Zeit fehlt dabei häufig. Nicht nur in der Vor-Corona-Phase voller Wohlstand und Wachstum haben viele Menschen die Fähigkeit zu Empathie, Rücksichtnahme und Solidarität verlernt. Was mache ich denn bloß, wenn der andere dann etwa beginnt, von der eigenen misslichen Lage zu erzählen? Von einer wirtschaftlichen Not gar, von einem positiven Testergebnis, von einer Depression des Partners?
Angesichts der ungewissen Entwicklungen in unserer Gesellschaft bis hin zum Wandel in der Welt ist es ein großer Schatz, aneinander Interesse und damit Wertschätzung zu zeigen. Niemand bricht sich dabei einen Zacken aus der Krone, das eigene Ego für einen Moment zurückzustellen und wirkliche Begegnung zu ermöglichen, sei es physisch als auch virtuell. Dann wird der Gruß „Hallo, wie geht es dir?“ ganz leicht zu „Ich schätze dich, so wie du bist“, und damit zum Türöffner für ein tiefes Erlebnis beiderseits.